Go-live

Steuerung & Planung
Vom technischen Startschuss zum strategischen Wendepunkt: Der Go-Live ist kein reiner IT-Meilenstein, sondern ein geplanter Geschäftsentscheid, der den Übergang von der Investitions- zur Wertschöpfungsphase markiert.

Was ist ein Go-Live? Definition, Strategien und Erfolgsfaktoren für IT-Projekte

Der Begriff „Go-live” hat sich im Alltag verbreitet und wird oft verwendet, um den Start eines Social-Media-Streams zu beschreiben. Im professionellen Umfeld ist der Go-live jedoch der strategische Wendepunkt, der über den Erfolg von Millioneninvestitionen entscheidet und den Übergang von der Kosten- zur Wertschöpfungsphase markiert. Dieser Artikel positioniert den Go-live neu: weg von einer rein technischen Ziellinie, hin zu einem kritischen Geschäftsereignis, dessen Strategie die Reife und Agilität Ihrer Organisation widerspiegelt.

Go-live auf einen Blick: Die wichtigsten Fakten

Der Go-live (auch Produktivsetzung) bezeichnet im IT-Projektmanagement den finalen, geplanten Akt der Inbetriebnahme einer neuen Software, eines Systems oder einer wesentlichen Funktionalität. Er markiert den Übergang von der Entwicklungs- und Testphase in den produktiven Betrieb. Ein erfolgreicher Go-Live ist das Ergebnis einer ganzheitlichen Planung, die technische, geschäftliche und menschliche Faktoren integriert und über den reinen Startzeitpunkt hinausgeht, um den nachhaltigen Geschäftserfolg sicherzustellen.

Was bedeutet Go-live? Mehr als nur ein Knopfdruck

Ein Go-Live ist kein isolierter technischer Vorgang, sondern ein zentraler strategischer Meilenstein. Er bezeichnet den Moment, in dem eine technologische Veränderung – sei es ein neues Enterprise-Resource-Planning-(ERP-System), eine Customer-Relationship-Management-(CRM-Systeme) oder eine Cloud-Infrastruktur – für die Endanwender verfügbar und somit wertschöpfend wird.

Die professionelle Definition im IT-Projektmanagement

Im professionellen Kontext bezeichnet der Begriff „Go-live” den sorgfältig orchestrierten Prozess, der ein System aus der Testumgebung in die produktive Live-Umgebung überführt. Ab diesem Zeitpunkt arbeiten die Mitarbeiter mit der neuen Lösung und alle damit verbundenen Geschäftsprozesse werden aktiv. Er ist das Ergebnis monate- oder gar jahrelanger Planung und Qualitätssicherung. Ökonomisch markiert der Go-Live den Wendepunkt, an dem ein Projekt vom reinen Kostenzentrum zur wertschöpfenden Investition wird, deren Erträge die Berechnung des Return on Investment (ROI) erst ermöglichen.

Die Wahl der richtigen Go-Live-Strategie: Von Big Bang bis Continuous Deployment

Die Annahme, es gäbe nur den einen Go-Live-Prozess, ist ein Trugschluss. Die Wahl der richtigen Strategie ist eine der ersten und wichtigsten Weichenstellungen. Sie muss auf einer ehrlichen Einschätzung von Komplexität, Risikobereitschaft und den Auswirkungen auf die Nutzer basieren.

  • Traditionelle Modelle:
    • Big Bang: Bei dieser „Alles-oder-nichts“-Methode wird das Altsystem an einem Stichtag komplett ersetzt. Der Vorteil liegt in der kurzen Übergangsphase und der geringeren Komplexität, da keine temporären Schnittstellen nötig sind. Das Risiko ist jedoch enorm: Ein kritischer Fehler kann den gesamten Betrieb lahmlegen und ein Rollback ist oft extrem komplex oder gar unmöglich.
    • Phasenweiser Rollout (Phased Rollout): Hier wird das neue System schrittweise eingeführt, etwa nach Modulen oder Standorten. Diese Strategie reduziert das Risiko erheblich, da Probleme isoliert behoben werden können. Der größte Nachteil liegt in der längeren Projektdauer, die zu Projektmüdigkeit führen kann, sowie in der erhöhten Komplexität durch den Parallelbetrieb von Alt- und Neusystem.
    • Pilotbetrieb (Pilot): Eine kleine, repräsentative Nutzergruppe testet das gesamte neue System unter realen Bedingungen, bevor es unternehmensweit ausgerollt wird. Dies liefert äußerst wertvolles Praxisfeedback und minimiert das Risiko eines Fehlschlags beim finalen Rollout.
  • Moderne Ansätze: Der Paradigmenwechsel zu Agilität und DevOps
    In agilen und DevOps-Kulturen weicht das monolithische Großereignis einem kontinuierlichen, risikoarmen Prozess. Man unterscheidet hier zwei Reifegrade:
    • Continuous Delivery (kontinuierliche Auslieferung): Jeder neue Code wird automatisch gebaut, getestet und für eine Veröffentlichung vorbereitet. Die Software ist immer in einem auslieferbaren Zustand, aber ein Mensch trifft die finale Entscheidung zur Freigabe per Knopfdruck.
    • Continuous Deployment (kontinuierliche Bereitstellung): Dies ist die höchste Stufe. Jede Code-Änderung, die alle Tests besteht, wird automatisch und ohne menschliches Eingreifen in der Produktion bereitgestellt. Der Go-live wird zu einem „unsichtbaren”, alltäglichen Routinevorgang. Dieser Wandel hat tiefgreifende geschäftliche Auswirkungen: Er erzwingt den Übergang von einer projekt- zu einer produktzentrierten Denkweise, die auf kontinuierlicher Wertschöpfung und beständigen, funktionsübergreifenden Teams basiert.

Wie bereitet man einen Go-Live vor? Ein ganzheitlicher Plan für den Erfolg

Eine gute Vorbereitung ist mehr als nur eine technische Checkliste. Sie integriert die Geschäftsziele, funktionsübergreifende Teams und die menschlichen Aspekte des Wandels.

Schritt 1: Den Erfolg definieren – KPIs und ROI als Kompass

Ein IT-Projekt dient der Schaffung von Geschäftswert. Bevor Sie mit der Implementierung beginnen, müssen Sie den Erfolg definieren. Legen Sie eine Baseline, also den Ist-Zustand vor der Veränderung, fest, um die Verbesserungen später quantifizieren zu können. Definieren Sie klare Key Performance Indicators (KPIs), die über technische Metriken hinausgehen.

  • Nutzerakzeptanz: tägliche aktive Nutzer (DAU), Time-to-Value (TTV).
  • Operative Effizienz: Reduzierung der Bearbeitungszeit für einen Kernprozess, Senkung der manuellen Fehlerquote.
  • Finanzkennzahlen: Umsatzsteigerung, Kostensenkung, Auswirkung auf die Gewinnmarge.

Nur mithilfe dieser Kennzahlen können Sie den Return on Investment (ROI) Ihres Projekts exakt berechnen und den Erfolg belegen. Die Formel ROI = (Nettogewinn / Investitionskosten) * 100 ist hierbei Ihr zentrales Werkzeug.

Schritt 2: Die Kommandozentrale einrichten – Teams und rechtliche Mandate

Ein Go-Live ist eine funktionsübergreifende Teamleistung. Neben den Abteilungen IT, Marketing und Finanzen kommt der Rechtsabteilung eine entscheidende Governance-Rolle zu, insbesondere bei der Datenmigration unter der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

  • Rollen und Verantwortlichkeiten: Klären Sie frühzeitig die Aufgaben von IT, Marketing, Vertrieb und Finanzen.
  • Das rechtliche Mandat (DSGVO): Die Einhaltung der DSGVO ist ein kritisches Go/No-Go-Tor. Die Verantwortung liegt beim „Verantwortlichen“ (Controller), der sicherstellen muss, dass der Migrationsprozess die Betroffenenrechte wahrt. Dazu gehört insbesondere das Recht auf Datenübertragbarkeit (Art. 20 DSGVO), dass die Bereitstellung von Daten in einem strukturierten, maschinenlesbaren Format (z. B. CSV, JSON) vorschreibt – ein simples PDF genügt hier nicht. Die Freigabe des Migrationsplans durch die Rechtsabteilung ist somit keine Formsache, sondern eine unumgängliche Voraussetzung.

Schritt 3: Den Faktor Mensch managen – Change-Management und Kommunikation

Die beste Technologie ist wertlos, wenn sie nicht genutzt wird. Die letztendliche Determinante für den ROI ist die Nutzerakzeptanz. Viele Projekte scheitern, weil das Vertrauen der Nutzer durch schlechte Datenqualität im neuen System von Anfang an untergraben wird. Ein proaktives Change-Management ist daher Ihre wichtigste Versicherungspolice für die getätigte Investition.

  • Proaktive Kommunikation: Erklären Sie nicht nur das „Was” und „Wie”, sondern vor allem das „Warum” der Veränderung und beantworten Sie die Frage: „Was bedeutet das für mich?”
  • Psychologische Aspekte: Adressieren Sie die Sorgen und den Stress der Mitarbeitenden durch offene Fragerunden, praxisnahe Schulungen und die sichtbare Unterstützung durch Führungskräfte.

Was passiert nach dem Go-live? Von der Stabilisierung zur Wertschöpfung

Mit dem Startschuss ist die Arbeit jedoch nicht getan, sondern sie beginnt erst richtig.

Die Hypercare-Phase: Stabilisierung und Support

Unmittelbar nach dem Go-Live beginnt die Hypercare-Phase, eine Periode mit intensivem Support zur schnellen Stabilisierung des Systems. In dieser Zeit werden Fehler behoben und das Vertrauen der Anwender gefestigt. Die Intensität der erforderlichen Hypercare-Phase steht in direkter Beziehung zur gewählten Go-live-Strategie: Ein risikoreicher Big-Bang-Ansatz erfordert zwingend eine ressourcenintensive Hypercare-Phase als Sicherheitsnetz, während ein risikoarmes Continuous-Deployment-Modell diese überflüssig macht.

Erfolgsmessung und kontinuierliche Optimierung

Nach der Hypercare-Phase schließt sich der Kreis zur Planung: Die zuvor definierten KPIs werden aktiv gemessen und mit der Baseline verglichen, um den Projekterfolg objektiv zu bewerten und den ROI zu berechnen. Der Go-live ist somit nicht der Endpunkt, sondern der Startschuss für einen kontinuierlichen Verbesserungs- und Optimierungsprozess.

Fazit: Der Go-live als strategische Weichenstellung

Ein erfolgreicher Go-Live ist weit mehr als nur ein technischer Meilenstein. Er ist das Ergebnis strategischer Weitsicht, die die Go-Live-Strategie als Kulturerklärung begreift. Er erfordert eine ganzheitliche Planung, in der rechtliche Mandate wie die DSGVO und ein robustes Change-Management als zentrale Governance-Rollen etabliert werden. Wenn ein „Go-Live” dank moderner, agiler Praktiken kein bemerkenswertes Ereignis mehr ist, sondern ein unsichtbarer Teil der kontinuierlichen Wertschöpfung, dann ist das das ultimative Zeichen einer reifen Organisation.

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